Versicherungsschutz für Schäden an beförderten Sachen in der Kfz-Haftpflichtversicherung

17 Juni

Schäden an beförderten Sachen werden von einer Kfz-Haftpflichtversicherung nach A.1.5.5 AKB 2015 nur eingeschränkt abgedeckt. Die Bestimmung der genauen Reichweite dieses Risikoausschlusses kann Probleme bereiten, wie neue Urteile des BGH und des OLG Celle zeigen.

Einführung: Haftungs- und deckungsrechtliche Ausgangssituation

Haftung für Schäden an beförderten Sachen

Wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine im Eigentum eines Dritten stehende Sache beschädigt oder zerstört wird oder abhanden kommt, so haftet der Halter des Kraftfahrzeugs dafür grundsätzlich verschuldensunabhängig nach § 7 Abs. 1 StVG. Den Fahrzeugführer trifft eine Haftung aus vermutetem Verschulden nach § 18 Abs. 1 StVG. Daneben kann eine Ersatzpflicht des Halters und/oder des Fahrzeugführers nach § 823 BGB bestehen, die allerdings voraussetzt, dass dem in Anspruch Genommenen ein Verschulden nachgewiesen wird.

Möglich ist damit grundsätzlich auch eine Haftung für Schäden an Sachen, die in dem die Schädigung verursachenden Fahrzeug selbst befördert wurden. Sowohl die Gefährdungshaftung des Halters nach § 7 StVG als auch die Haftung des Fahrzeugführers nach § 18 StVG sind im Hinblick auf solche Sachen indes nach § 8 Nr. 3 StVG ausgeschlossen, es sei denn, dass eine beförderte Person die Sache an sich trägt oder mit sich führt. Wenn der Ausschluss nach § 8 Nr. 3 StVG greift, kommt daher nur eine allgemeine Verschuldenshaftung nach § 823 BGB in Betracht.

Versicherungsschutz für Schäden an beförderten Sachen

Der Versicherungsschutz aus einer Kfz-Haftpflichtversicherung umfasst die durch den Gebrauch eines Fahrzeugs ausgelöste privatrechtliche Haftung von Halter und Fahrer für Sachschäden (vgl. A.1.1.1 b und A.1.2 AKB 2015). Neben der Verschuldenshaftung nach § 823 BGB ist daher auch die Haftpflicht aus §§ 7, 18 StVG versichert, da der Begriff des „Gebrauchs“ eines Kraftfahrzeugs weiter ist als der des „Betriebs“ i. S. v. §§ 7, 18 StVG und diesen mit umfasst.

Der Kfz-Haftpflichtversicherer schuldet nicht nur die Freistellung von berechtigten Ansprüchen, sondern auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche. Daher ist er – sofern die Inanspruchnahme auf Schadensersatz auf den „Gebrauch“ des Fahrzeugs zurückgeht – im Rahmen der Abwehrdeckung auch dann leistungspflichtig, wenn die Voraussetzungen für eine Haftung tatsächlich nicht vorliegen, etwa weil es sich nicht um eine Schädigung im Rahmen des „Betriebs“ des Fahrzeugs handelte (vgl. BGH Urt. v. 19.07.2023 – IV ZR 384/22 Rn. 20 ff.)

Im Hinblick auf Schäden an beförderten Sachen enthält A.1.5.5 AKB 2015 allerdings einen weitreichenden Risikoausschluss, der sich wortgleich auch in früheren Bedingungswerken findet. Diese Klausel lautet:

Beschädigung von beförderten Sachen

A.1.5.5 

Kein Versicherungsschutz besteht bei Schadenersatzansprüchen wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommens von Sachen, die mit dem versicherten Fahrzeug beför-dert werden.

Versicherungsschutz besteht jedoch für Sachen, die Insassen eines Kraftfahrzeugs üblicherweise mit sich führen (z. B. Kleidung, Brille, Brieftasche). Bei Fahrten, die überwiegend der Personenbeförderung dienen, besteht außerdem Versicherungsschutz für Sachen, die Insassen zum persönlichen Gebrauch üblicherweise mit sich führen (z. B. Reisegepäck, Reiseproviant). Kein Versicherungsschutz besteht für Sachen unberechtigter Insassen.

Diese Einschränkung des Versicherungsschutzes ist durch die Vorschrift des § 4 Nr. 3 Kfz-PflVV gedeckt, der abschließend regelt, welche Risikoausschlüsse in einer Kfz-Haftpflichtversicherung zulässigerweise vereinbart werden können. Sinn dieser Regelung ist insbesondere die Abgrenzung zur Transportversicherung, die bei Schäden an versicherten Sachen vorrangig eingreifen soll (Stiefel/Maier/Jahnke, 19. Aufl. 2017, § 4 KfzPflVV Rn. 16).

Wenn der Ausschluss nach A.1.5.5 AKB 2015 greift, ist auch ein Direktanspruch des Geschädigten aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gegen den Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 Satz 2; § 117 Abs. 3 Satz 1 VVG ausgeschlossen, da der ausgeschlossene Schaden dann außerhalb der vom Versicherer übernommenen Gefahr liegt.

Beförderte Sachen

Der Risikoausschluss des A.1.5.5 Abs. 1 AKB knüpft daran an, dass eine Sache „befördert“ wurde. Der Begriff der „Beförderung“ ist aus Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse auszulegen. Da einem solchen Versicherungsnehmer der mit dem Ausschluss verfolgte Zweck der Abgrenzung von der Transportversicherung und der typische Umfang einer solchen Versicherung nicht erkennbar ist, kommt es in erster Linie darauf an, was nach allgemeinem Sprachgebrauch unter einer „Beförderung“ zu verstehen ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH setzt das Befördern einer Sache aus Sicht eines  durchschnittlichen Versicherungsnehmers voraus, dass die beförderte Sache (1) objektiv mit Hilfe eines hierfür eingesetzten Transportmittels von einem Ort zum anderen gebracht wird und dass (2) subjektiv ein zweckgerichtetes Handeln vorliegt, das gerade darauf abzielt, eine Ortsveränderung zu bewirken.

Auf der Grundlage dieser Auslegung hat der BGH etwa ein “Befördern” in einem Fall verneint, in dem ein zum Beladen benutztes Arbeitsgerät (Elektroameise) aus Bequemlichkeit während eines Rangiervorgangs vorübergehend auf der Ladefläche des versicherten Lkw abgestellt worden war und dabei beschädigt wurde. Es fehle zwar nicht an einer Ortsveränderung, da der Lkw und damit auch die Elektroameise – wenn auch nur um wenige Meter – bewegt worden seien. Das Bewegen des Fahrzeugs habe aber nicht dem Zweck gedient, die Elektroameise an einen anderen Ort zu bringen. Daher könne nicht von einem Befördern gesprochen werden (BGH, Urt. v. 29.6.1994 – IV ZR 229/93).

Die mit der Abgrenzung insbesondere im Hinblick auf die subjektive Komponente verbundenen Schwierigkeiten zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urt. v. 19.7.2023 – IV ZR 384/22) auf: In dem entschiedenen Fall ging es um die Verunreinigung von Weintrauben in einem Traubenvollernter, d. h. einem Erntefahrzeug, das die Trauben durch Schütteln vom Rebstock trennt, die geernteten Weintrauben zunächst innerhalb der Fahrzeugs sammelt und unmittelbar nach Abschluss des Erntevorgangs in einen weiteren Auffangbehälter am Rande des Weinbergs schüttet. In einem haftpflichtversicherten Traubenvollernter war Hydrauliköl ausgetreten mit der Folge, dass die gelesenen Weintrauben unmittelbar in dem maschineneigenen Sammelbehälter verunreinigt worden waren. Das Zusammenschütten dieser Trauben mit den übrigen Trauben außerhalb des Vollernters führte zudem zur Verunreinigung weiterer, durch andere Vollernter abgeernteter und bis dahin unversehrter Trauben. Im Ergebnis wurde deshalb die gesamte Ernte des Weinbergs unbrauchbar.

Das in der Vorinstanz zuständige OLG Koblenz bejahte dem Grunde nach eine Deckungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers des Traubenvollernters. Insbesondere greife der Risikoausschluss aus A.1.5.5 AKB 2015 (bzw. die in dem konkreten Fall vereinbarten, wortgleichen Klausel) nicht. Bereits die unmittelbar in dem Traubenvollernter gesammelten Trauben seien nicht „befördert“ worden, da Zweck des Einsatzes des Vollernters nicht der Transport der geernteten Trauben, sondern deren Ernte gewesen sei (OLG Koblenz r+s 2022, 675 mit zust. Anm. Maier).

Der BGH sah demgegenüber auch die subjektive Seite des Beförderungsbegriffs als erfüllt an: Die durch das Mitführen der Trauben nach deren Trennung vom Rebstock bewirkte Ortsveränderung vom Rebstock zum Auffangbehälter sei gerade der Zweck des Erntevorgangs durch den Vollernter. Dessen Arbeitsleistung beschränke sich nicht auf das Trennen der Trauben vom Rebstock. Vielmehr diene der Vollernter auch dem Sammeln der geernteten Trauben und deren Transport zu einem die Ernte aufnehmenden Behältnis außerhalb der Maschine. Daher sei die mit der zeitgleichen Fortbewegung des Vollernters verbundene Ortsveränderung hinreichender Betriebszweck gewesen (BGH, Urt. v. 19.7.2023 – IV ZR 384/22 Rn. 17).

Nach Ansicht des BGH bestand daher kein Versicherungsschutz im Hinblick auf die in dem Vollernter selbst verunreinigten Trauben. Anders sah es im Hinblick auf die erst durch Zusammenschütten zerstörten weiteren Trauben aus, da diese nicht durch den versicherten Vollernter befördert worden waren und der Risikoausschluss insoweit nicht griff (BGH, Urt. v. 19.7.2023 – IV ZR 384/22 Rn. 23; zum Umfang des Ausschlusses siehe unten 4.).

Wiedereinschluss für üblicherweise mitgeführten Sachen

A.1.5.5 Abs. 2 AKB 2015 enthält zwei Wiedereinschlüsse für beförderte Sachen. Eine Konkretisierung bedarf insoweit insbesondere A.1.5.5 Abs. 2 Satz 1 AKB 2015, der bestimmt, dass beförderte Sachen ausnahmsweise versichert sind, wenn Insassen eines Kraftfahrzeugs sie üblicherweise mit sich führen.

Anerkannt ist insoweit, dass es nach dem eindeutigen Wortlaut nicht auf die individuellen Gepflogenheiten des konkreten Fahrgastes, sondern auf die generelle Üblichkeit ankommt (Prölss/Martin/Klimke, VVG, 31. Aufl. 2021, A.1.5 AKB 2015 Rn. 20). Zudem kann man im Umkehrschluss aus A.1.5.5 Abs. 2 Satz 2 AKB 2015 entnehmen, dass die dort genannten Sachen wie insbesondere Reisegepäck (also etwa Reisekoffer) nicht nach Abs. 2 Satz 1 versichert sein sollen. Andernfalls wäre Abs. 2 Satz 2 überflüssig, der ausdrücklich („außerdem“) als zusätzliche Erweiterung des Versicherungsschutzes für den Fall der Personenbeförderung formuliert ist.

Welche Gegenstände von Fahrzeuginsassen im Einzelnen über die in A.1.5.5 Abs. 2 Satz 1 AKB 2015 genannten Beispiele (Kleidung, Brille, Brieftasche) hinaus „üblicherweise mitgeführt“ werden, wird allerdings unterschiedlich beurteilt. Umstritten ist insbesondere die Einordnung von technischen Geräten wie insbesondere Computern/Laptops oder iPads. Im juristischen Schrifttum wird das Mitführen solcher Gegenstände zum Teil mit Hinweis auf die fortschreitende Technisierung als üblich angesehen. Zudem soll sich aus dem Erfordernis des „Mitführens“ nicht ergeben, dass die Sachen üblicherweise am Körper getragen werden müssten, woran es bei tragbaren Computern fehlen würde (vgl. Prölss/Martin/Klimke, VVG, 31. Aufl. 2021, A.1.5 AKB 2015 Rn. 20).

Demgegenüber hat das OLG Celle in einer aktuellen Entscheidung den Kreis der versicherten Gegenstände enger bestimmt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch „üblicherweise“ mitgeführt werden danach nur Gegenstände, die der Geschädigte am Körper trägt. Zu den üblicherweise mitgeführten Gegenständen sollen daher nach Auffassung des OLG Celle zwar ein Mobiltelefon bzw. ein Smartphon zählen. Nicht von dem Wiedereinschluss nach A.1.5.5 Abs. 2 Satz 1 AKB erfasst werden dagegen ein Computer/Laptop oder ein iPad, da diese nicht am Körper getragen, sondern z. B. in einer Tasche mitgeführt werden (vgl. OLG Celle, Urteil v. 31.1.2024 – 14 U 58/23). Versicherungsschutz für diese Gegenstände kann daher nur unter den Voraussetzungen des A.1.5.5 Abs. 2 Satz 2 AKB 2015 bestehen. Erforderlich ist daher, dass die Fahrt überwiegend der Personenbeförderung dient, wobei für den Begriff der Personenbeförderung allgemein darauf abgestellt wird, ob das Fahrzeug (wie z. B. ein Taxi) dem Personenbeförderungsgesetz unterliegt (Stiefel/Maier/Maier, 19. Aufl. 2017, AKB Rn. 255).

Zu beachten ist, dass der deckungsrechtliche Wiedereinschluss nach A.1.5.5 Abs. 2 Satz 1 AKB 2015 weniger weit geht als die entsprechende haftungsrechtliche Regelung des § 8 Nr. 3 Hs. 2 StVG. Während die Haftung nach §§ 7, 18 StVG für Schäden an beförderten Sachen generell bestehen bleibt, wenn eine Person eine Sache an sich trägt oder mit sich führt, kommt es für den deckungsrechtlichen Einschluss zusätzlich auf die Üblichkeit des Mitführens an. Daher haftet der Halter nach § 7 StVG z. B. auch außerhalb einer Personenbeförderung für die Zerstörung eines mitgeführten Computers oder Koffers. Diese Ansprüche werden aber nach A.1.5.5 Abs. 1 AKB 2015 nicht von der Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt.

Umfang des Ausschlusses

Der Umfang des Risikoausschlusses nach A.1.5.5 Abs. 1 AKB 2015 wird eng ausgelegt und auf unmittelbar an der beförderten Sachen selbst eingetretene Schäden beschränkt (BGH, Urt. v. 19.7.2023 – IV ZR 384/22 Rn. 23; Prölss/Martin/Klimke, VVG, 31. Aufl. 2021, A.1.5 AKB 2015 Rn. 19). Versichert sind daher Folgekosten solcher Schäden wie etwa die Kosten für die Entsorgung von Sachen, die bei der Beförderung zerstört wurden (BGH NJW-RR 1995, 276).

Diese Einschränkung wirkt sich auch in dem oben angesprochenen Traubenvollernter-Fall des BGH aus: Vom Versicherungsschutz ausgenommen sind dort nur Ansprüche wegen der unmittelbar in der Erntemaschine gesammelten und verunreinigten Trauben, da es sich nur bei diesen um „beförderte Sachen“ i. S. des Risikoausschlusses handelte. Als Folgeschaden versichert ist dagegen die Verunreinigung von weiteren, nicht durch den Vollernter transportierten Trauben, die erst durch das Zusammenschütten mit den verunreinigten Trauben eingetreten ist (BGH, Urt. v. 19.7.2023 – IV ZR 384/22 Rn. 23). 

Fazit und praktische Auswirkungen

Schäden an beförderten Sachen sind zwar grundsätzlich vom Versicherungsschutz in der Kfz-Haftpflichtversicherung ausgenommen. Die Voraussetzungen dieses Ausschlusses sind aber konkretisierungsbedürftig. Darauf ist im Schadenfall ein besonderes Augenmerk zu legen. Zudem ist zu beachten, dass der Ausschluss auf Schäden beschränkt ist, die unmittelbar an der beförderten Sache eingetreten sind.

Quelle: Advisors up-to-date

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