Private Krankenversicherung, Das Tarifwechselrecht – ohne die Besonderheiten des Basistarifs

25 Januar

Im Internet finden sich zahlreiche Anbieter, welche häufig sehr vollmundig dem privat Krankenversicherten eine zum Teil erhebliche Prämienreduzierung bei vergleichbarem Leistungsniveau versprechen. Erreicht werden soll dies zumeist durch einen Tarifwechsel des Versicherten. Als Honorar derartiger „Tarifoptimierer“ lassen sich diese zumeist Beträge zwischen dem 9 bis 15 fachen der monatlichen Einsparungen nach einem Tarifwechsel versprechen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen einer solchen „Tarifoptimierung“ werden nachfolgend näher beleuchtet.

Einführung

Da der Versicherungsnehmer mit fortschreitendem Alter regelmäßig zunehmenden Prämiensteigerungen ausgesetzt ist und zudem in einem Tarif bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare Entwicklungen eintreten können, wie die Schließung eines Tarifs und die damit einsetzende „Vergreisung“, ist der Versicherungsnehmer darauf angewiesen, seinen Tarif zumindest beim gleichen Versicherer wechseln zu können. Da der Versicherer bei Abschluss des Vertrages einen bestimmten Gesundheitszustand dem Vertrag zugrunde gelegt hat, welcher sich zwischenzeitlich verändert haben kann, andererseits der Versicherte u.U. schon über Jahrzehnte Alterungsrückstellungen aufgebaut hat, bedarf es insoweit eines Ausgleichs der beiderseitigen Interessen. § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG soll das Interesse des Versicherers an einer risikoadäquate Prämie auf der einen Seite und den bereits vom Versicherten erworbenen Recht auf der anderen Seite ausgleichen. 

Voraussetzungen des Wechsels

Anspruch des VN

Grundsatz

§ 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG begründet bei einem bestehenden unbefristeten Krankenversicherungsverhältnis  einen Anspruch des Versicherungsnehmers auf einen Wechsel in einen anderen Tarif bei seinem Versicherer unter Anrechnung   seiner Rechte und der Alterungsrückstellungen   . Der Versicherer ist verpflichtet, diesen Antrag auf einen Tarif-Wechsel des Versicherungsnehmers   anzunehmen, wenn der sogenannte Zieltarif gleichartigen Versicherungsschutz wie der sog. Herkunftstarif enthält. Es besteht also im Grundsatz ein Kontrahierungszwang des Versicherers zur Annahme des Antrages des Versicherungsnehmers. Eine generelle Ausnahme von diesem Anspruch des Versicherungsnehmers ist nur vorgesehen, wenn der Versicherungsnehmer von einem geschlechtsunabhängig kalkulierten Tarif (Unisex-Tarif) in einen geschlechtsabhängig kalkulierten Tarif (Bisex-Tarif) wechseln will. Hier ist der Wechsel unzulässig.

Gleichartigkeit des Versicherungsschutzes und Versicherungsfähigkeit

Dieser Kontrahierungszwang des Versicherers setzt allerdings voraus, dass der Zieltarif gleichartigen Versicherungsschutz wie der Herkunftstarif   beinhaltet. Damit sind die einzelnen Leistungsbereiche nach den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (§ 12 Abs. 1 Kalkulationsverordnung) gemeint. Hierzu zählen z.B.:

  • Kostenerstattung für ambulante Heilbehandlung
  • Kostenerstattung für stationäre Heilbehandlung sowie Krankenhaustagegeld
  • Kostenerstattung für Zahnbehandlung und Zahnersatz 

Daneben muss nach § 12 Abs. 2 Kalkulationsverordnung im Zieltarif auch die Versicherungsfähigkeit des Versicherungsnehmers gegeben sein. Dies soll sicherstellen, dass Tarife, die nur für bestimmte Gruppierungen kalkuliert sind, nicht über den „Umweg“ von § 204 Abs. 1 VVG letztlich allen Versicherten offen stehen. Bei der Versicherungsfähigkeit handelt es sich um eine personengebundene Eigenschaft. Dies kann z.B. der ausgeübte Beruf, die Art der Beschäftigung, (angestellt, selbständig) oder die Tätigkeit für einen bestimmten Arbeitgeber sein.

Umfang des Anspruchs

Ist der Wechsel in den Ziertarif erfolgt  , ist der Versicherer verpflichtet, die aus dem Vertrag erworbenen Rechte und die Alterungsrückstellungen anzurechnen.

Zu diesen Rechten zählen z.B. bereits im alten Tarif vom Versicherungsnehmer verbrachte Wartezeiten, welche im Zieltarif anzurechnen sind. Gleiches gilt für den Verzicht auf   Wartezeiten im Herkunftstarif.

Das wichtigste Recht des Versicherungsnehmers ist allerdings, dass der Versicherer nicht berechtigt ist, aufgrund eines verschlechterten Gesundheitszustandes vom Versicherungsnehmer eine erhöhte Prämie zu verlangen. Maßgebend ist allein der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers bei Abschluss des ursprünglichen Vertrages. Vor diesem Hintergrund ist es einem Versicherer auch nicht gestattet, einen pauschalen „Wechslerzuschlag“ zu erheben. Ein solcher Zuschlag würde zu einer Vereitelung des Tarifwechselrechts des Versicherten führen und ist daher unzulässig (BVerwG, Urt. v. 23.06.2010 – 8 C 42.09  ; BGH, Urt. v. 15.07.2015 – IV ZR 70/15,). Der Versicherer darf daher seine neuen Tarife nicht durch derartige Hindernisse vor älteren Versicherten „abschirmen“.

Daneben müssen dem Versicherungsnehmer die Alterungsrückstellungen   erhalten bleiben. Hierbei ist auf die kalkulatorische Rückstellung abzustellen. Beinhaltet der Zieltarif geringere Leistungen als der Ursprungstarif ist der insoweit nicht benötigte Teil der Alterungsrückstellung für den Versicherungsnehmer zu verwenden, etwa durch eine Anrechnung auf die neue Prämie. Er geht also nicht verloren.

Risikoprüfung des Versicherers

Sind die Leistungen im Zieltarif höher oder umfassender als in seinem bisherigen Tarif, kann der Versicherer für die Mehrleistung im Zieltarif einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag sowie eine Wartezeit verlangen. Dem Versicherer steht in einem solchen Fall also die Möglichkeit einer (eingeschränkten) neuen Gesundheitsprüfung offen.

Anzeigeobliegenheiten

Enthält der Zieltarif Mehrleistungen, ist der Versicherungsnehmer nach Maßgabe der Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung (§§ 19 ff. VVG) verpflichtet, die gefahrerheblichen Umstände anzugeben, die nach Abschluss des ursprünglichen Vertrages eingetreten sind, und nach denen der Versicherer gefragt hat. Die Gesundheitsprüfung des Versicherers erstreckt sich dabei nur auf die Mehrleistung im Zieltarif (BGH, Urt. v. 20.07.2016 – IV ZR 45/16, RuS 2016, 477). Zu beachten ist dabei, dass der Versicherer im Rahmen seiner Belehrungspflicht nach § 19 Abs. 5 VVG hier auf die Besonderheiten eines Verstoßes gegen die Anzeigeobliegenheiten im Rahmen einer hier vorliegenden Vertragsänderung hinweisen muss. So führt der Rücktritt des Versicherers im Fall einer Anzeigeobliegenheitsverletzung bei einem Tarifwechsel nicht etwa dazu, dass der Versicherungsnehmer überhaupt keinen Versicherungsvertrag mehr hat, sondern „nur“ dazu, dass die Vertragsänderung rückabgewickelt wird  . Das heißt, der Versicherungsnehmer ist im Fall des erfolgten Rücktritts dann weiterhin in seinem Ursprungstarif versichert. 

Risikozuschlag/Leistungsausschluss/Wartezeit

Stellt der Versicherer im Rahmen der (zulässigen) Gesundheitsprüfung fest, dass der Versicherungsnehmer ein erhöhtes Risiko darstellt, kann er allein in Bezug auf die Mehrleistung einen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss ggf. in Verbindung mit einer Wartezeit vereinbaren. Wichtig ist dabei, dass sich der Leistungsausschluss bzw. der Risikozuschlag allein auf die im Zieltarif enthaltene Mehrleistung bezieht. Eine Mehrleistung nach der Rechtsprechung des BGH liegt auch dann vor, wenn der Zieltarif lediglich einen geringeren Selbstbehalt als der Herkunftstarif vorsieht. Haben der Herkunftstarif und der Zieltarif unterschiedliche Selbstbehaltsarten (jährlicher Selbstbehalt vs. Selbstbehalt pro Behandlung) darf der Versicherer die Selbstbehalte nicht einfach kumulieren. Vielmehr müssen bei Aufrechterhaltung des jahresbezogenen Selbstbehalts die behandlungsbezogenen Selbstbehalte angerechnet werden (BGH, Urt. v. 12.09.2012 – IV ZR 28/12, NJW 2012, 3782)

Mehrleistungsausschluss

Möchte der Versicherungsnehmer sich keiner Gesundheitsprüfung unterziehen bzw. den Risikozuschlag, welchen der Versicherer in Bezug auf die Mehrleistung erheben kann, nicht vereinbaren, steht ihm die Möglichkeit offen, einen sogenannten Mehrleistungsausschluss zu vereinbaren. Das heißt, der Versicherungsnehmer verzichtet auf sämtliche Mehrleistungen im Zieltarif. Im Gegenzug hat er dann die Möglichkeit, von der günstigeren Prämie im Zieltarif aufgrund einer besseren Risikostruktur zu profitieren. Dies kommt für den Versicherungsnehmer gerade dann in Betracht, wenn der Zieltarif nur geringfügige Mehrleistungen als der Herkunftstarif enthält, aber die Risiko- und Altersstruktur sich als besser erweist.

Hinweis- und Informations- und Beratungspflichten bei Tarifwechseln

Versicherer

Zwar ist der Versicherer nicht ohne Anlass verpflichtet, den Versicherungsnehmer auf eine Tarifwechselmöglichkeit hinzuweisen, eine solche Pflicht besteht aber immer dann, wenn sich der Versicherungsnehmer dahingehend erkundigt oder der Beratungsbedarf sonst für den Versicherer erkennbar wird. Etwa wenn der Versicherungsnehmer mitteilt, dass er Probleme mit der Prämienzahlung hat. Des weiteren sieht § 6 Abs. 2 VVG-InfoV vor, dass der Krankenversicherer den Versicherungsnehmer bei Vornahme einer Prämienanpassung über Tarifwechselmöglichkeiten informieren muss. Für Versicherungsnehmer, die das 60. Lebensjahr überschritten haben sind dabei noch weitergehende Informationen mitzuteilen.

Versicherungsmakler

Wendet sich der Versicherungsnehmer an seinen Versicherungsmakler, treffen auch diesen entsprechende Beratungspflichten. Hierbei muss der Versicherungsmakler insbesondere über die Leistungsunterschiede beraten und, für den Fall, dass der Versicherer einen Risikozuschlag erheben will, auf die Möglichkeit eines Mehrleistungsausschlusses hinweisen. Dabei darf sich ein Versicherungsmakler für seine Beratungsleistung nach der Rechtsprechung des BGH – obwohl kein neuer Versicherungsvertrag abgeschlossen wird – sogar ein Erfolgshonorar im Fall eines von ihm angeratenen und erfolgten Tarifwechsels versprechen lassen (BGH, Urt. v. 28.06.2018 – I ZR 77/17, NJW 2018 37). Dies gilt allerdings nicht für Versicherungsberater. Bei diesen ist die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ausgeschlossen  .

Tipps

Steigen die Prämien im Tarif des Versicherungsnehmers erheblich an, sollte sich der Versicherungsnehmer zunächst immer an seinen Krankenversicherer wenden und um Alternativvorschläge bezgl. des Tarifs bitten. Kommt der Versicherer diesem Ersuchen des Versicherungsnehmers nicht oder nur unzureichend nach, kann er sich an einen (seriösen) „Tarifoptimierer“ wenden. Erfolgt dann ein Tarifwechsel kann der Versicherungsnehmer das hierfür aufgewendete Honorar als Schadensersatz bei seinem Krankenversicherer geltend machen. Denn durch die nicht (ausreichende) Beratung hat der Versicherer eine Beratungspflicht nach § 6 Abs. 4 VVG verletzt und ist daher zum Schadenersatz verpflichtet.

Quelle: Advisors Up-to-date

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