Nachhaltig weiterbilden

17 Juni

Wer angestellt oder selbstständig im Versicherungsvertrieb tätig ist, muss sich jedes Jahr mindestens 15 Stunden weiterbilden. Wie man Belastungen für die Nachhaltigkeit vermeidet.

Die Europäische Union verfolgt viele wichtige Ziele. Nicht immer sind diese frei von Interessenkonflikten. Ein Beispiel ist die Nachhaltigkeit. Einerseits soll die Versicherungsbranche den „Green Deal“ unterstützen. Größere Unternehmen müssen dafür nichtfinanzielle Berichte über ihre Nachhaltigkeit erstellen. Wer als Versicherer oder als Vermittler Lebensversicherungen anbietet, soll seine ESG-Strategien über die ökologische und soziale Nachhaltigkeit und gute Unternehmensführung veröffentlichen sowie die Kunden bei ihren Wünschen nach nachhaltigen Anlagen unterstützen.

Andererseits verlangt die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, dass sich alle im Versicherungsvertrieb tätigen Personen mindestens 15 Stunden im Kalenderjahr weiterbilden sollen. Das Ziel dabei ist, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten, anzupassen oder zu erweitern. Der Betroffenenkreis ist groß und umfasst neben Vermittlern und Außendienstangestellten auch sehr viele Innendienstangestellte von Versicherern und Vermittlern.

Treibhausgasemissionen durch Bildungsmaßnahmen

Die regelmäßige Weiterbildung kann allerdings dem Ziel der Senkung von Treibhausgasemissionen entgegenwirken. Denn die Organisation und Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen verursacht den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und anderen schädlichen Emissionen.

Ein Beispiel: Ein Versicherer hat 1.000 Mitarbeitende im Versicherungsvertrieb, die sich regelmäßig weiterbilden müssen. Dafür werden jeweils zweitägige Präsenzschulungen organisiert, in denen die Betroffenen Neues zu Versicherungsprodukten und zur Kundenberatung im Umfang von 15 Zeitstunden erlernen. Wenn jeder der 1.000 Mitarbeitenden durchschnittlich 100 Kilometer Anreiseweg zum Schulungszentrum hat, und die eine Hälfte öffentliche Verkehrsmittel und die andere Hälfte den eigenen Pkw wählt, können folgende CO2-Emissionen entstehen:

  • Ein Pkw emittiert rund 50 Kilogramm CO2 je 100 Kilometer, die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln rund 14 Kilogramm (siehe WDR, Quarks CO2-Rechner für Auto, Flugzeug und Co.). Damit entstehen insgesamt – Hin- und Rückfahrt – 64 Tonnen CO2 für die Reisen der 1.000 Mitarbeitenden.
  • Im Schulungszentrum entstehen für Strom, Heizung, Bewirtung sowie Übernachtung weitere Emissionen. Wenn insgesamt 50 Schulungen à 20 Teilnehmende und mit einer Übernachtung angeboten werden, kann das weitere 500 Kilogramm CO2 je Schulung (siehe Umweltbundesamt, UBA CO2-Rechner für Veranstaltungen). Das sind insgesamt nochmals 25 Tonnen CO2-Ausstoß.

Der Versicherer in diesem Beispiel verursacht insgesamt 89 Tonnen CO2-Ausstoß für die gesetzlich vorgeschriebene Weiterbildung. Diese Belastung geht in die Klimabilanz des Versicherers ein, über die er der Öffentlichkeit in seiner nichtfinanziellen Berichterstattung Rechenschaft ablegt.

Online-Weiterbildung spart viel CO2

Eine Alternative dazu ist die Online-Weiterbildung. Die Beschäftigten nutzen für ihre Weiterbildungsstunden entweder synchrone Onlineformate wie Live-Onlineschulungen per Videokonferenz. Bei denen müssen Lehrende und Lernende zur selben Zeit, aber nicht am selben Ort anwesend sein. Oder es werden asynchrone Onlineformate eingesetzt. Lehrende und Lernende müssen dann nicht einmal zur gleichen Zeit anwesend sein.

Bekannte Beispiele sind aufgezeichnete Schulungen, die per Videostream zu beliebigen Zeiten betrachtet werden können, E-Learnings und Online-Lerntexte. Hier sind lediglich Lernerfolgskontrollen zu absolvieren, damit die Lernzeit angerechnet werden kann. Dadurch weist der Lernende nach, dass er in einer vom Veranstalter geplanten Zeit das Selbstlernmedium genutzt und dabei einen Lernerfolg erzielt hat.

Das Gute daran ist, dass wesentlich geringere CO2-Emissionen entstehen. Das Umweltbundesamt schätzt, dass bei einer einstündigen Onlineteilnahme an einer Videokonferenz per Notebook 55 Gramm CO2 freigesetzt werden (vgl. Umweltbundesamt, https://www.umweltbundesamt.de/themen/treibhauseffekt-von-streaming-videokonferenz-co).

Wenn im obigen Beispiel alle 1.000 Mitarbeitenden 15 Stunden im Jahr selbstgesteuerte Online-Schulungen vom Arbeitsplatz- oder vom heimischen Rechner aus besuchen, würde das gerade einmal 825 Kilogramm CO2 entsprechen – oder weniger als ein Prozent des oben geschätzten CO2-Ausstoßes von Präsenzschulungen im Schulungszentrum.

Weitere Aufwände durch Präsenz-Lernen

Das Online-Lernen spart außerdem erheblich Zeit ein. Im obigen Beispiel müssten die 1.000 Mitarbeitenden durchschnittlich rund drei Stunden hin und zurück zu den Präsenzschulungen anreisen. Das sind 3.000 Stunden, die als Arbeitszeit besser einsetzbar wären. Hinzu kommen Reisespesen und andere Nebenkosten.

Es gibt weiterhin Gründe für die Durchführung von Präsenzveranstaltungen. Wenn neue Mitarbeitende eingeführt werden sollen, erleichtert die persönliche Begegnung das Ankommen im Team und im Unternehmen. Auch Führungsgespräche sind von Angesicht zu Angesicht effektiver, weil die Teilnehmenden ihre Reaktionen besser wahrnehmen und kontrollieren können.

Aber die sehr hohe Zahl von Pflichtstunden an Weiterbildung, die auch berufserfahrene Mitarbeitende und Vermittler regelmäßig zu absolvieren haben, lässt sich besser online absolvieren. Das nützt der Umwelt, stärkt den Nachhaltigkeitsgedanken – und erfüllt dennoch den Zweck der Weiterbildung.

Quelle: Advisors Up-to-date

Autor: Prof. Dr. Matthias Beenken

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